Die Zeit bis 1933

vanheiden1. Rektor der Wilhelmschule: Heinrich Vanheiden (1909 bis 1932)Leider liegt das Leben der Wilhelmschule in den Jahren zwischen 1902 und 1909 im Dunkeln. Im Archiv der Wilhelmschule sind dazu keine Unterlagen zu finden. Der Grund: In den ersten Jahren wurde die Schule noch von der Buckhoffschule verwaltet. Erst 1909 wurde sie als System II selbstständig. Zum ersten Rektor wurde Heinrich Vanheiden ernannt.

Im einem Protokoll vom 29. April 1910 wird deutlich, welch hohes, vom christlichen Glauben geprägtes Lehrerbild damals angestrebt wurde. Gertrud Ahlert hielt ein Referat zum Thema: "Die Wirksamkeit des Lehrers im Spiegel gewissenhafter Pflichterfüllung." Sie führte unter anderem aus:

Nur mit der Gnade Gottes kann der Lehrer in seinem Amte gedeihlich wirken. Er muss die Mittel gebrauchen, durch welche uns die Gnade zuteil wird. Damit übt er die Selbstvervollkommnung und in Bezug auf die anderen die Pflicht des guten Beispiels. Ringt er um die Gnade, als wenn alles von Gott kommt, so muss er aber auch arbeiten und seine Pflichten erfüllen vor, während und nach dem Unterricht, als wenn der ganze Erfolg von ihm abhinge.


Dass auch die körperliche Ertüchtigung einen hohen Stellenwert genoss, belegt ein Ministerialerlass vom 11. November 1912. Darin heißt es zum täglichen 10-Minuten-Turnen:

Die Übungen sind nicht in die Pause zu verlegen. Am zweckmäßigsten werden sie vor einer Pause vorgenommen. Am geeignetsten ist die Zeit nach der 3. und 4. Lektion. Der Zweck ist die Förderung der Gesundheit des Körpers, namentlich des Blutkreislaufes und der Verdauung. Dazu dienen insbesondere folgende Übungen:

1. Armbeugen und Fersenheben
2. Spannbeuge mit Atemführung
3. Rumpfkreisen
4. Beinspreizen rechts und links
5. Armkreise (Trichterkreise)
6. Rumpfdrehen mit Unterarmschlagen
7. Schlußsprung am Ort mit Armschwingen.


Lehrer Steinhoff nannte die vorgeschriebenen Ausführungsbefehle und zeigte durch exaktes Vorturnen die Art und Weise der Ausführung.

Bemerkenswert ist auch die damalige Bedeutung der religiösen Erziehung. In einem Protokoll vom 11. April 1913 findet sich folgende Eintragung zum Schulgottesdienst:

Zur Teilnahme am täglichen Schulgottesdienst treten die Schüler morgens um 7 Uhr vor dem Schuleingang an. Von hier werden sie zwecks Unterbringung ihrer Schulsachen in ihre Klassenzimmer geführt. Dann stellen sie sich klassenweise auf dem Schulhof auf. Auf dem Kirchwege sind die Schüler zu beaufsichtigen. Unnützes Sprechen ist streng untersagt. Während des Gottesdienstes singen nur die beiden oberen Knaben- und Mädchenklassen.


Am 7. November spricht Lehrerin Gertrud Ahlert über den Haushaltungsunterricht:

Als wirtschaftliches Hindernis des Haushaltes ist hauptsächlich die gesteigerte Fabriktätigkeit zu betrachten, die auch die Frau immer mehr vom häuslichen Herd in ihre Dienste zieht. Darum haben die Mädchen in industriereichen Gegenden keine Zeit, den Haushalt selbst gründlich zu lernen. Dabei trägt der Haushaltungsunterricht viel zur Entwicklung des weiblichen Charakters bei.


Bald zeigte der Erste Weltkrieg für die Schule Konsequenzen. Im Protokoll vom 21. Oktober 1914 heißt es:

Die Schule soll den erhöhten Anforderungen, die der Krieg derselben nach erziehlicher und unterrichtlicher Seite stellt, gerecht werden. Insbesondere hat der Unterricht in Geschichte und Erdkunde den Krieg an sich und die fortschreitenden Tagesereignisse zweckmäßig zu berücksichtigen. Die Anfertigungen von Liebesgaben während des Handarbeitsunterrichtes haben recht erfreuliche Resultate erzielt. Selbst in der freien Zeit und in den Pausen stricken unsere Schülerinnen recht emsig. Die Knaben liefern Schargie (Schafgarbe?) für das hiesige Vereins-Lazarett im Josefstift (heute Altenwohnheim).


Zur Gleichberechtigung zwischen Lehrerinnen und Lehrern findet sich ein Eintrag im Protokoll vom 15. 12. 1922. Darin heißt es:

Betreffs Umwandlung einer Stelle an der Wilhelmschule in eine Konrektorstelle beharrt der Lehrkörper bei der Entschließung, nach der bei der Verleihung solcher Stellen durchweg das Dienstalter maßgebend sein soll. Unter Hinweis auf den Min.Erlass von 24. 8. 22 forderten die Lehrerinnen die Anstellung der Lehrerin Ahlert als Konrektorin, während die Lehrer aus Gründen wirtschaftlicher (finanzieller) Natur sich für die Ernennung des Lehrers Krekeler aussprachen. Somit wurde die Lehrerin Ahlert mit einer Mehrheit von 1 Stimme für die betreffende Stelle gewählt.


Die Besoldung der Lehrkräfte im Schuljahr 1913/14 zeigte zwischen Lehrerinnen und Lehrern deutliche Unterschiede. Dies schien gerechtfertigt, weil Lehrerinnen damals stets unverheiratet waren und weniger Geld als die Familienväter benötigten.

Jährliches Grundgehalt für Lehrer: 1.400 Mark
Jährliches Grundgehalt für Lehrerinnen: 1.200 Mark
Alterszuschlag für Lehrer in zwei Stufen: 200 und 250 Mark
Alterszuschlag für Lehrerinnen: 100 und 150 Mark
Mietsentschädigungen für Lehrer: 450 Mark
Mietsentschädigungen für Lehrerinnen: 300 Mark
Pensionsfähige Amtszulage für Rektoren: 700 Mark

thumb hunschex Zeitungsausschnitt von 1913 (Hunsche/Wiedau)Um diese Zahlen besser einschätzen zu können, empfiehlt es sich, einen Blick auf die Ende 1914 üblichen Preise zu werfen. So kostete etwa ein Kilogramm Kartoffeln durchschnittlich 10 Pfennig, ein Kilo Erbsen 85 Pfennig und ein Kilo Schweineschulter 1,80 Mark.